index introductio imagines || partitura exemplar translatio bibliographia e-mail

CTH 434.1

Citatio: F. Fuscagni (ed.), hethiter.net/: CTH 434.1 (INTR 2016-06-21)

Ein Flussritual mit einem Mythologem über die Erschaffung der Menschen (CTH 434.1)

Textzeugnisse

A

(publ.)

Bo 3617

B

B1

(publ.)

Bo 3078

Vs. II? = A. 3'ff.

B2

+ unpubl.

Bo 8465

C

C1

KBo 13.104

2207/g

Vs. I 2'-13' = A. Vs. I 6'-19'; Vs. I 3'ff. = B. Vs. II? 4'-18'

C2

+ unpubl.

Bo 6464

Literatur

Otten – Siegelová 1970, 32-38; Haas 1994, 179-180; Taracha 2010, 301-310.

Editionsgeschichte

Zwei Fragmente, Bo 3617 Vs. I und Bo 3078 Vs. II?, wurden von Otten – Siegelová 1970, 34-35 anhand der Fotos von Frau L. Ehelolf in Autographie publiziert. H. Otten veröffentlichte 2207/g 1967 als KBo 13.104 ohne weitere Angaben. Alle anderen Fragmente (Bo 84651, Bo 6464 und Bo 3617 Rs. IV) sind bislang unpubliziert.

Inhaltsübersicht

Das Ritual ist von besonderem Interesse, da es einige der wenigen Hinweise sowohl für eine hethitische Kosmogonie als auch Anthropogonie beinhaltet.

Auf den Ritus mit einem Schwein folgend richtet der Ritualherr (ab kolon 8) eine Bitte an den Fluss2. Darin wird zunächst (kola 8-12) die Aufteilung von Himmel und Erde zwischen den oberirdischen und den unterirdischen Göttern beschrieben. Diese kurze Erzählung zeigt Anklänge an den Ullikummi-Mythos, in dessen dritter Tafel die dem griechischen Atlas entsprechende Gottheit Upelluri schildert, wie die anfängliche Einheit von Himmel und Erde durch ein Schneidewerkzeug (URUDUkuruzzi-) getrennt wurde3.

In der mythologischen Erzählung des vorliegenden Rituals (kola 13-17) wird der Fluss als Träger positiver Eigenschaften zusammen mit den Gulš-(Schicksals-)Göttinnen und den MAḪ-(Mutter-)Göttinnen des Flussufers als Schöpfer der Menschen angerufen4. Während die Gulš- und MAḪ-Göttinnen in anderen hethitischen Texten mehrmals mit der Geburt in Verbindung gebracht werden, ist ein Bezug des Flusses als Schöpfer der Menschen weithin nicht herstellbar. Auf eine mesopotamische Tradition des Flusses als Schöpfergottheit hat Haas 1994, 180 Anm. 17, hingewiesen.

In den nicht mehr von Otten – Siegelová 1970 berücksichtigten Passagen, die in den §§ 4 und 5 nur durch das Fragment Bo 6464 (C2) erhalten sind, lässt sich folgender Handlungsablauf rekonstruieren: in § 4' wird dem Fluss, im Falle der Verzauberung eines Menschen, seiner Verleumdung vor den Göttern oder einer gegen ihn gerichteten Übeltat, reinigende Kraft zugewiesen5. Der fragmentarische § 5' scheint eine kurze Segensformel in kolon 26 zu enthalten, während in den kola 27-28 die Katharsis der zwölf Körperteile (des Ritualherrn?) beschrieben wird und die Komposition damit den Reinigungsritualen zuzuweisen ist.

Die in Bo 3617 Rs. IV (A) erhaltenen letzten zwei Paragraphen sind sehr fragmentarisch. Die wiederholte Erwähnung von ḫuri-Broten scheint in Verbindung mit einer Ritualhandlung zu stehen. Texte, in denen das Gebäck ansonsten Verwendung findet, sind überwiegend als Gegenzauber- oder Reinigungsrituale aber auch als Rituale für Gulš- und MAḪ-Göttinnen zu charakterisieren.

Bei einer inhaltlichen Zuordnung von CTH 434.1 sollte weiterhin der Vorschlag von Otten – Siegelová 1970, 37, dass es sich um die gleiche Ritualtypologie wie KUB 36.83 (CTH 434.2 Exemplar A) resp. die gesamte Textgruppe handelt, in Betracht gezogen werden6. In diesem Zusammenhang ist auf folgende Übereinstimmungen hinzuweisen: in beiden Ritualen spielt der Fluss ein bedeutende Rolle und das Mythologem bezieht sich auf Handlungen am Flussufer. In den zwei Text(grupp)en sind ein signifikantes Vokabular (vgl. zuvörderst NINDAḫuri-) und vergleichbare Ritualhandlungen zu erkennen (vgl. die Rolle des Schweins in CTH 434.1 kola 3-5 und in CTH 434.2, kola 7ff.), so dass der durch den Kolophon von KUB 36.83 Rs. IV 11'-12', erhaltene Titel SÍSKUR ÍD „Flussritual“, für CTH 434.1 ebenfalls erwogen werden könnte7.

© Universität Mainz – Institut für Altertumswissenschaften – Abteilung Altorientalische Philologie 2015

1

Der Join zwischen diesem Fragment und Bo 3078 wurde von. J. Lorenz identifiziert.

2

Dem Fluss kommt in der gesamten Textgruppe große Bedeutung zu.

3

Im Fortgang der Geschichte bitte der Gott Ea die uralten Götter, die „alte Säge“ zu bringen, mit der Himmel und Erde auseinander geschnitten wurden. Beide Episoden finden sich in KUB 33.106 Rs. III 40'-42' bzw. KUB 33.106 Rs. III 52'ff. (CTH 345.I.3.1); vgl. E. Rieken et al. (ed.), hethiter.net/: CTH 345.I.3.1 (TX 2009-08-31, TRde 2009-08-30). Die Säge dient im Ullikummi-Mythos schließlich dazu, die Füße Ullikummis abzuschneiden und somit das Steinwesen zu besiegen.

4

Vgl. aber Otten – Siegelová 1970, 38, die einige Zweifel über die exakte Zeitstellung der Wendung in kolon 17 hegen. Die MAḪ- und Gulš-Göttinnen „des Flussufers“ sind auch in anderen Texten belegt, jedoch, lässt man den fragmentarischen Zustand der entsprechenden Abschnitte außer Acht, niemals gemeinsam. Besonders verwiesen sei auf zwei Passagen aus dem Tunnawi-Ritual (KUB 12.58+ Vs. I 6'-9' und Rs. IV 1-3 (CTH 409.I.A)), in denen die Beschwörerin die MAḪ-Göttinnen des Flussufers herbeiruft, damit sie den Lehm des Flussufers schälen und den Ritualherrn reinigen. Die hier deutlich hervortretende kathartische Funktion der Göttinnen könnte ihnen, gemeinsam mit den Gulš-Göttinnen und dem Fluss, auch im vorliegenden Ritual zugeschrieben werden. Zu den MAḪ-Göttinnen des Flussufers vgl. zuletzt Taracha 2010, 302ff.

5

Vgl. besonders den Ausdruck in kolon 25: nu-za-kán PA-NI ÍD wa-a[r-ap-zi].

6

Vgl. auch Bawanypeck 2005, 19, 71, 265-266.

7

Vgl. auch die Einleitung von CTH 434.2.


Editio ultima: 2016-06-21






Valid XHTML 1.0 Transitional